Der Whippet

Allgemeines
Wenn man mit einem Whippet unterwegs ist, erregt man immer Aufsehen. Der schlanke, mittelgoße Hund wird von Passanten zwar meistens als Windhund erkannt, aber kaum einer weiß etwas mit dem Rasse-Namen Whippet anzufangen. Dabei reichen die Reaktionen von starker Ablehnung bis zur hellen Begeisterung, kaum einer bleibt angesichts der etwas extravaganten Erscheinung gleichgültig. Allerdings sind die Ursprünge der Rasse wenig extravagant, stammt er aus doch aus den britischen Bergbau-Regionen. Dort begleitete er den Familienvater zum Wildern, und am Wochenende wurde er von den wettlustigen Briten zum Rag-Racing eingesetzt. Inzwischen ist der Whippet bei allen Bevölkerungsschichten beliebt, passt er als mittelgroßer, pflegeleichter und sportlicher Begleiter ohne aggressive Tendenzen hervorragend in unsere Zeit. Standardgebendes Land ist Großbritannien.

Ursprung der Rasse
Windhunde gibt es schon seit mehreren tausend Jahren, sie wurden stets zur Jagd auf unterschiedliche Wildtiere gezüchtet. Der stromlinienförmige Körper und das hochbeinige, asketische Erscheinungsbild waren ein Ergebniss des Verwendungs-Zwecks, im Sinne von "Form follows function". Dabei gab es die Windhunde in verschiedenen Größen und Haararten, die kleinen und mittelgroßen Varietäten wurden bevorzugt für die Jagd auf Kaninchen und Hasen eingesetzt. Bekannt wurden vor allem die "Windspiele" Friedrich des Großen, welche nach heutiger Einschätzung eher Whippet-Größe als die der heute als "Italienisches Windspiel" bekannten Rasse hatten.

Friedrich der Große mit seinen "Windspielen"
Populär wurden die kleinen Windhunde mit dem Aufkommen des Hunderennens in England Mitte des 19. Jahrhunderts. Diese Rennen am Sonntagvormittag hatten wenig mit den heute stattfindenden Windhundrennen auf gepflegten Gras- oder Sandbahnen gemein. Die Hunde waren darauf trainiert, über eine gerade, abgesteckte Strecke so schnell wie möglich zu ihrem Besitzer zu rennen, der an der Ziellinie ein Tuch ("Rag") schwenkte. Es gab spezielle Starter, die die Hunde am Fell hielten und sie auf ein Signal hin soweit wie möglich auf die Bahn warfen, um ihnen einen Vorsprung zu verschaffen. Die teilnehmenden Hunde waren ein Sammelsurium verschiedenster Hundetypen, wobei sich bald ein whippetähnlicher Typ mit z.T. starkem Terrier-Einschlag bald als erfolgreichster herausstellte.

"Einwurf" beim Rag Racing
1890 wurde dann die Rasse "Whippet" durch den Kennel Club anerkannt, wobei sich der Standard hauptsächlich an der Funktion als Kaninchenjäger orientierte. Dabei wurde besonderes Augenmerk auf eine große Anpassungsfähigkeit gelegt, wurden die Hunde doch oft unter räumlich und finanziell begrenzten Verhältnissen gehalten. Diese Eigenschaften begründeten seine Popularität als geschätzter Sporthund und liebenswerten Begleiter.

"Glenkoe Model" 1912
Mit dem Aufkommen der ersten Hundeaustellungen wurden auch Whippets zunehmend im Showring präsentiert. Dies führte dazu, dass manche Züchter sich vermehrt auf ein "schönes" Exterieur konzentrierten, andere überwiegend auf die Rennhund-Eigenschaften, was ein Auseinanderdriften der Population in reine Show- und Rennlinien zur Folge hatte. 

"Isinglass Snap" 1910
Wesen und Verhalten
Das Wesen dieser Rasse unterscheidet sich von dem anderer Windhundrassen, v.a. dem der orientalischen Vertreter, durch seine enorme Anpassungsfähigkeit. Der Whippet fühlt sich in einer Familie genauso wohl wie bei einer alleinstehenden, gerne auch älteren Person. Sein freundliches Naturell und seine handliche Größe führen dazu, dass Kinder ihm ohne Angst begegnen, durch das Terrierblut seiner Ahnen vertägt er auch mal einen Knuff, ohne etwas übel zu nehmen.
 
Der Whippet ist ein Hund mit zwei Gesichtern: drinnen anschmiegsam und unauffällig, draussen temperamentvoll und sportlich. Wenn man Whippets nur in ihrer häuslichen Umgebung kennenlernt, gewinnt man den Eindruck, es handle sich um faule Couch-Potatoes. In der Tat lieben es diese Hunde, stundenlang auf Sesseln, Sofas oder im Bett ihrer Besitzer herumzulungern, gerne an ihren Halter oder auch andere Hunde des Haushaltes gekuschelt.

Platz ist in der kleinsten Hütte!
Ein ganz anderes Bild bietet sich, sieht man mehrere Whippets gemeinsam über´s freie Feld flitzen. Der "faule" Eindruck verfliegt erst recht, beobachtet man die kleinen Windhunde beim Rennen oder Coursing. Schon bei der Vorbereitung auf die künstliche Hasenjagd geraten einige Rassevertreter derart in Erregung, dass sie laut schreiend und zerrend versuchen, zum Ort des Geschehens zu gelangen. Sind sie dann endlich am Start, entfalten sie explosionsartig ihre rasend schnelle Geschwindigkeit, um am Ende den künstlichen Hasen vehement "totzuschütteln".

Whippets beim Start auf der Rennbahn
Whippets sind sehr gelehrige und intelligente Hunde, denen man leicht die für einen Haushund nötige Erziehung vermitteln kann. Darüberhinaus lernt ein Whippet auch "fortgeschrittene" Unterordnungsübungen, Whippets mit bestandener Begleithunde-Prüfung oder - in den USA - mit Obedience-Titeln, sind keine Seltenheit. Auf dem Agility-Parcours haben sich Whippets ebenfalls bereits bewährt, was aufgrund ihrer Schnelligkeit und Geschicklichkeit nicht verwunderlich ist. In den USA war es übrigens der Whippet "Ashley", der den Frisbee-Sport mit Hunden populär machte.

"Murphy" im Agility-Slalom

Aber auch, wenn man Whippets als reine Familienhunde hält, können sie ein ausgefülltes Leben haben und vermissen nichts. Man kann sie wie jeden gut erzogenen Hund im Freien ohne Leine laufen lassen, allerdings sollte man in Gegenwart von Wildtieren keinen unbedingten Gehorsam erwarten. Auch ein Whippet aus reiner Show-Zucht ist durchaus in der Lage, ein Kaninchen oder Hasen zu fangen und zu töten, vor allem, wenn mehrere Hunde zusammen jagen.


Ein zweiter Whippet ist doch der beste Spielkamerad!
Der Whippet ist ein fröhlicher, charmanter Hund mit geringer Expansions-Tendenz. Letzteres bedeutet, dass er bei mangelnden Führungsqualitäten seines Besitzer nicht offensiv gegen diesen vorgeht, sondern ihn eher elegant "um den kleinen Finger wickelt".  So verzeiht er auch mal kleinere Erziehungsfehler, was ihn zu einem geeigneten Hund für Hunde-Anfänger macht.

Bei entsprechender Gewöhnung sind Whippets mit Katzen gut verträglich
Verwendung
Da die Wilderei zur Bereicherung des familiären Speiseplans heute nicht mehr nötig und möglich ist, kann der Whippet heutzutage seiner ursprünglichen Bestimmung nicht mehr nachgehen. In unserer Zeit werden Whippets überwiegend als pflegeleichte Familien- und Begleithunde gehalten. Oft dürfen diese Hunde an Windhundrennen oder Coursings teilnehmen, wo sie sich als zuverlässige und sauber laufende Rennhunde erwiesen haben. Auch zeigen viele Whippet-Besitzer ihre Hunde gerne auf Hunde-Ausstellungen, die Jagd nach Titeln und Trophäen kann ein zu einem richtigen Hobby werden.

Auf der Ausstellung
Die Whippet-Zucht hat sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Auf der einen Seite gibt es die reinen Rennlinien, mit sehr schnellen, leichtknochigen und stark bemuskelten Vertretern. Durch diese Spezialisierung entsprechen die Hunde oft nicht mehr dem im Standard vorgegebenen Rassetyp, so dass sie auf Hunde-Schauen geringere Chancen hat.

Rennlinie: "Ch. Forsyth the Grashopper"
Auf der anderen Seite findet man die reinen Show-Dogs, welche großrahmiger und schwerer im Knochenbau sind. Diese Hunde sind oft größer, als der Standard es vorgibt, und sie werden üblicherweise in einer weniger trockenen Kondition vorgestellt. Aufgrund der Überbetonung spezieller, für die Show spektakulärer Merkmale entsprechen auch Vertreter dieser Linien häufig nicht mehr wirklich dem Standard, der einen Hund ohne Überteibungen fordert ("All forms of exaggeration should be avoided").

Showlinie: "Ch Bohem American Gigolo"
Dem Standard am nächsten kommt der sogenannte Coursing-Typ, dies sind in der Regel sportliche Hunde im Standardmaß, die aufgrund ihres Körperbaus die erforderliche Wendigkeit für die nachempfundende Kaninchenhetze besitzen. Die absolute Schnelligkeit ist bei diesen Hunden nicht so groß wie bei den reinen Rennern, dies machen die Courser aber durch höhere Geschicklichkeit im Parcours wett. Viele erfolgreiche Coursinghunde sind in der Lage, auf Ausstellungen in den vorderen Rängen mitzulaufen und Champion-Titel zu erringen.

Coursinglinie: "Superfly´s Cuz this is Thriller"
Dies sind aber nicht die einzigen "Verwendungsmöglichkeiten" für Whippets, sie machen eigentlich alles mit, was ihnen und ihrem Besitzer Spass bringt. Man kann mit Whippets die Begleithunde-Prüfung ablegen oder an Agility-Turnieren teilnehmen. Es gibt Besitzer, die mit ihrem Whippet Fährtenarbeit machen, andere betreiben wettkampfmäßig Frisbee-Sport mit ihrem Hund. Für die neuen Hundesportarten Obedience, Flyball und Dogdance wäre ein Whippet sicher ebenso zu begeistern. Auch als Therapiehund ist der Whippet aufgrund seines freundlichen, sanftmütigen Wesens sicherlich sehr gut geeignet.


Alles in allem ist der Whippet ein richtiger "Multi-Purpose-Dog", mit dem man allerhand unternehmen kann, aber nicht muss.


Whippet im "Schutzdienst-Aufbau"
Besonderheiten
Eine Besonderheit dieser Rasse ist ihre Vielfältigkeit. Alle Farben sind vom Standard erlaubt, ob gescheckt, gestromt oder einfarbig, weiß, sandfarben, rot, isabell, blau, schwarz, mit oder ohne Maske, mit oder ohne weiße Abzeichen: für jeden Geschmack ist etwas dabei.  Durch die Vielfalt der Typen ist für jeden der passende Hund zu finden, egal, ob man einen drahtigen Athleten oder einen etwas ruhigeren, kräftigeren Hausgenossen sucht.

Farbvielfalt beim Whippet
Eine weitere Besonderheit ist das Kontaktbedürfniss dieser Rasse, leben zwei oder mehr Whippets in einem Haushalt, liegen sie oft eng aneinandergekuschelt "auf einem Haufen". Bei kaum einer anderen Hunderasse ist es so verbreitet, daß reine Liebhaber - keine Züchter - zwei, drei, vier oder noch mehr Hunde halten. Die Anschaffung eines zweiten Whippets zu einem Einzelhund ist immer eine gute Idee, gibt man ihm damit doch eine ebenbürtigen Spielkameraden und Kuschelpartner zugleich.

Christa Riebels "Meute"

Viele Interessenten wollen wissen, ob Whippets wegen ihres kurzen Fells bei kalten Temperaturen oder Regen schnell frieren. Dies ist nicht der Fall, solange sich die Hunde unangeleint frei bewegen können. Möchte man allerdings bei kaltem, nassen Wetter mit dem Hund an der Leine durch die Stadt gehen oder ihn bei Minustemperaturen im Auto warten lassen, so sollte man seinem Whippet einen Mantel gönnen.
Der Whippet ist ein Hund, der auf den ersten Blick fragil und empfindlich erscheinen mag, beschäftigt man sich jedoch länger mit dieser Rasse, fällt einem die hohe Robustheit und das zeitweise aufblitzende, terrierhafte Temperament auf. Diese Rasse ist zäh und langlebig, bis jetzt sind kaum rassetypische Gesundheitsprobleme bekannt.


Ein Mantel ist nur selten nötig
Auswahl eines Welpen
Der Rasse-Interessent sollte sich zunächst darüber klar werden, welchen Typ Whippet er bevorzugt. Dazu kann der Besuch von Ausstellungen und Renn- bzw. Coursing-Veranstaltungen hilfreich sein. Hat er sich für eine Linie entschieden, sollte er Kontakt Züchtern dieses Whippet-Typs aufnehmen und diese besuchen. Erwachsene Whippets sollten sich Besuchern gegenüber freundlich und unbefangen verhalten, niemals scheu, hysterisch oder gar aggressiv.

Wer könnte diesem Blick widerstehen?
Die Welpen sollten ebenfalls offen und vorwitzig sein. Der Züchter sollte frühzeitig mit einer sorgfältigen Sozialisierung des Wurfes beginnen, die dann vom künftigen Welpenbesitzer fortgeführt wird. Stimmt die Chemie zwischen Welpeninteressent, Hunden und Züchtern, sollte das die Zuchtstätte der Wahl festlegen.

Eine zufriedene Whippet-Familie